Peter Radtke

Beginn einer neuen Wirklichkeit

Analyse und Hoffnungen behinderter Menschen in unserer Gesellschaft

»Beginn einer neuen Wirklichkeit« - Was für ein Titel, was für eine Herausforderung! Ich soll heute morgen eine Analyse der gesellschaftlichen Lage geben, soweit sie die Situation behinderter Bürger in unserm Land betrifft; ich soll Erwartungen der Betroffenen für eine andere, selbstredend bessere Zukunft formulieren. Diesem Unternehmen sind einige Worte voranzustellen. Es gibt keine objektive Analyse der Fakten. Sogar die sogenannten "exakten Wissenschaften", wie Physik und Mathematik, sind geprägt von dem jeweiligen Verständnis, das dem Menschen zu einer bestimmten Zeit zur Verfügung steht. Diese Erkenntnis ist, wie wir alle wissen, sehr beschränkt. Um wieviel mehr gilt ein solcher Vorbehalt für die Bereiche der Geisteswissenschaft. Erst recht aber betrifft er mich, der sich hier und heute überhaupt nicht als Wissenschaftler versteht. Ich bin Betroffener mit subjektiven Einsichten, mit Vorurteilen und speziellen Neigungen; ich bin weder Sprecher für irgendeine Gruppe, auch wenn mir diese Funktion immer wieder angeheftet wird, noch sollen meine Erfahrungen als repräsentativ für andere gelten. All dies sage ich nun etwa nicht, um meine nachfolgenden Ausführungen zu entwerten. Ich glaube durchaus, daß sie ihr Gewicht besitzen. Aber es sind weder die Gedanken der Mehrheit, wahrscheinlich nicht einmal innerhalb des Kreises der Betroffenen, noch sind es in jedem Fall meßbar nachzuweisende Befunde. Vielmehr begreife ich meine Rolle als die eines "Rufers in der Wüste", wenn mir diese, dem Biblischen entlehnte, etwas pathetische Ausdrucksweise gestattet ist. Ich will Ihnen und uns allen die Augen öffnen für Vorgänge, die, wenn wir ihnen nicht entgegenwirken, uns über kurz oder lang vernichten werden. "Uns" - damit meine ich nicht nur Menschen, die von einer Behinderung betroffen sind. "Uns", das ist in diesem Zusammenhang wirklich "uns", Sie und ich und die vielen anderen, die heute Morgen nicht in diesem Raum sitzen. 
"Beginn einer neuen Wirklichkeit" - das erinnert mich stark an die Ideen des Kommunismus der Zwanziger und Dreißiger Jahre, als man den sogenannten "Neuen Menschen" propagierte. Er sollte all das überwinden, was einem beim "Alten Menschen" mißfiel: Egoismus, mangelnden Gemeinschaftssinn, irrationalen Aberglauben. Doch nicht nur der Kommunismus, auch ein Wort des Korintherbriefes fällt mir ein: "Das Alte ist vergangen, siehe, es wird alles neu" (2. Kor. 5, 17). Das klingt wie ein Trompetenstoß, wie eine Siegesfanfare. Als wäre am Alten alles nur schlecht gewesen und am Neuen überhaupt nichts mehr auszusetzen. Im Zusammenhang mit dem Neuen Testament mag dies vielleicht zutreffen. Aber wie sieht es in unserer gesellschaftlichen Realität aus? Gibt es da auch "Das Neue", das dem Alten haushoch überlegen ist? Und wenn ja, wie drückt es sich aus? Tatsächlich glaube ich, daß sich in den letzten Jahrzehnten - zumindest im westlichen Kulturraum, wenn nicht sogar global - Entscheidendes verändert hat. Fachleute haben mit dem Aufbruch in das Computerzeitalter von einer "Zweiten Industriellen Revolution" gesprochen, einer Revolution, die in ihren Auswirkungen über das hinausgehe, was einst die "Erste Industrielle Revolution" in Bewegung gebracht habe. Wie sich die Bilder gleichen! So euphorisch die herrschenden Kreise damals den Einzug der Industrialisierung in unser Leben bejubelten, so vorbehaltlos positiv wird auch heute wieder der Fortschritt von Technik, Forschung und Wissenschaft von den Verantwortlichen der Politik, der Wirtschaft und - wie sollte es anders sein - der Wissenschaft selbst beurteilt. 
 

Um die gegenwärtige Lage behinderter Menschen in unserer Gesellschaft einordnen zu können, müssen wir zunächst weit zurückgehen, zurück bis in die Zeiten vor der bereits erwähnten "Ersten industriellen Revolution". Deutschland war damals, wie alle Länder Europas, ein Agrarstaat. Die meisten Städte zählten nicht mehr als 50.000 bis 100.000 Einwohner. Die ländliche Großfamilie, der kleinstädtisch handwerklich oder kaufmännisch geprägte Familienverbund, prägte die gesellschaftliche Struktur. Sieben Kinder waren Durchschnittsgeburtenrate pro Familie. Das bedeutete in Begriffen der Arbeitsleistung, daß ständig eine mehr oder minder große Zahl an Familiengliedern außerhalb des eigentlichen Produktionsprozesses stand, weil sie entweder schon zu alt oder noch zu jung waren. Dabei ist "außerhalb des Produktionsprozesses" relativ zu verstehen, denn auch die Jungen und die Alten wurden, gemäß ihren Möglichkeiten, mit Teilaufgaben der Gesamtfamilienarbeit betraut. Flexibilität und Anpassung der vorhandenen Arbeit an die gegebenen Ressourcen waren Merkmal einer solchen Ordnung. In einem derartigen Gefüge ließ sich naturgemäß die Integration behinderter Angehöriger, möglicherweise auch im Sinne einer nutzbringenden Einbeziehung in die anfallenden Arbeitsabläufe, leichter bewerkstelligen als unter den heutigen Strukturen.
Nun liegt es mir ferne, die Zustände der Großfamilie aus früher Zeit zu idealisieren. Schon die Aufnahme in den Familienverband war für das behinderte Kind nicht weniger problematisch als heute, wo die vorzeitige Abtreibung gang und gäbe ist. Ich sage "Aufnahme" und meine dies im buchstäblichen Sinne des Wortes. Erst wenn der Hausvater das auf der Schwelle liegende Neugeborene "aufgenommen" hatte, d.h. auf den Arm genommen hatte, zeigte er damit vor aller Öffentlichkeit, daß er sich zu diesem Kind bekannte, daß es von nun an der Schutzgemeinschaft "Familie" angehörte. Gerade im Fall von mißgebildeten Säuglingen unterblieb häufig ein solches "Aufnehmen", was mit einem Todesurteil für das Neugeborene gleichzusetzen war. Umgekehrt konnte jedoch eine geistige Behinderung zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht erkannt werden, weshalb die Tötung von Geistigbehinderten relativ selten vorkam. Auch im weiteren Verlauf der Familienzugehörigkeit war der Behinderte nicht gegen Anfeindungen, Verspottung oder gar Todesgefahr gefeit. Dennoch möchte ich behaupten, daß er, war erst einmal die Eingliederung in die Familiengemeinschaft vollzogen, hier einen Platz fand, der ihn auch in die Gesellschaft integrierte, denn Familie war Gesellschaft, und gesellschaftliches Leben außerhalb der Familie existierte nur insofern, als es stets auf familiäre Bezüge zurückgriff.

Die industrielle Revolution ab Ende des 18. Jahrhunderts, zuerst in England, später auch auf dem Europäischen Kontinent und in Amerika, stellte dieses Sozialgefüge von Grund auf in Frage. Was bisher an Arbeitserfordernis innerhalb der Familie auf die einzelnen Mitglieder aufgeteilt werden konnte, wurde nun in Fabriken und Bergwerken objektiver Normanspruch an unterschiedslos funktionierende Arbeitnehmer. Die Aufgaben konnten nicht mehr den Fähigkeiten angepaßt werden, sondern umgekehrt mußten sich die Beschäftigten dem Produktionsprozeß unterwerfen. Nicht voll einsatzfähige Glieder der Familie blieben in diesem System auf der Strecke. Hinzu kam das Auseinanderbrechen der Großfamilie als Gemeinschaftsform. Die zum Überleben notwendigen Arbeitsmöglichkeiten konzentrierten sich in den neu aufstrebenden Industriestädten. Die Arbeitsfähigsten wanderten ab; die Übriggebliebenen fielen der Gemeinde zur Last oder machten sich ebenfalls auf in die jetzt entstehenden Großstadtslums. Es ist sicher kein Zufall, daß fast alle wegweisenden Einrichtungen der staatlichen Wohlfahrtspflege gegen Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. Der Staat übernahm Funktionen, mußte sie übernehmen, die bislang die Großfamilie inne gehabt hatte. Auch die Kirchen, als Träger ähnlicher Dienste, sowie Stiftungen philanthropischer Einzelpersonen wären in diesem Zusammenhang zu erwähnen. 
Zu Beginn der Einrichtungen für Behinderte jeglicher Art stand ein damals durchaus progressiver Denkansatz. Nachdem sich der Mensch immer stärker durch seine Leistungsfähigkeit legitimierte, sollte auch dem Behinderten eine Steigerung des Selbstwertgefühls durch Arbeit ermöglicht werden. Die erste Bayerische Krüppelanstalt - im 19. Jahrhundert war dieser Begriff noch üblich - die heutige Bayerische Landesschule für Körperbehinderte, hatte zum Beispiel das explizite Ziel, Betroffene durch Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu nützlichen Gliedern in der Gesellschaft heranzubilden. Menschen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht selber die Stufen in die oberen Stockwerke bewältigten, wurden gar nicht erst aufgenommen. Schwerer Betroffene verblieben, als Kretins dahinvegetierend, in den Familien versteckt, soweit ihre Pflege von irgend jemand übernommen werden konnte, oder wurden, wenn die Gegebenheiten es erlaubten, der Obhut kirchlicher Einrichtungen anvertraut. So zweifelsfrei die Aufwertung des Produktivitätsdenkens bei jenen Betroffenen eine Steigerung des Selbstwertgefühls ermöglichte, die Leistung im vorgenannten Sinne noch erbringen konnten, so unumstritten ist es, daß durch diese Entwicklung die Schwächeren unter den Menschen mit einer Behinderung noch stärker ins Abseits gerieten. Ich will hier keinesfalls Leistungsforderungen generell verteufeln. Es stellt jedoch einen Unterschied dar, ob ich durch Arbeit das Selbstwertgefühl eines Menschen stütze, oder ob Arbeit selbst zum Eigenzweck wird, an dem sich letztlich Wert oder Unwert eines Lebens bemißt. 
Bezeichnenderweise waren sich in diesem Punkt, ungeachtet der unterschiedlichen ideologischen Ansätze, Kapitalismus, Faschismus und Kommunismus stets mehr oder weniger einig. Während sich im Kommunismus bis zum Zusammenbruch des Ostblocks die These hielt, der Mensch definiere sich durch seine Leistung für die Gesellschaft, wird auch in unserer heutigen angeblich sozialen Marktwirtschaft noch immer berufliche und mit ihr einhergehend medizinische Rehabilitation vor jegliche Art sozialer Rehabilitation gestellt. Wer irgendwann einmal Zuschußmittel beantragen mußte, wird diese These bestätigen. Doch selbst im Vernichtungskampf der Nazischergen gegen sogenanntes "lebensunwertes Leben" differenzierte man sehr genau zwischen jenen, die der Kriegsproduktion noch nützlich sein konnten, und anderen, die hierzu nicht mehr in der Lage waren. Ich bin mir durchaus der Ungeheuerlichkeit meiner Aussage bewußt. Das schreckliche Dritte Reich, den nicht minder unmenschlichen Ostblock, die relativ progressive Behindertenpolitik einer Bundesrepublik Deutschland, all dies in einem Atemzug zu erwähnen, heißt dies nicht tatsächlich, Unterschiede auf unverantwortliche Weise zu verwischen? Natürlich gibt es Unterschiede; natürlich ist das Deutschland zu Beginn des 3. Jahrtausend nicht das Deutsche Reich zwischen 1933 und 1945 oder die DDR 1949-89. Aber die Frage scheint doch berechtigt, als was der Mensch, der nicht mehr aus eigener Kraft zum Bruttosozialprodukt des Staates beitragen kann, unter allen drei Systemen gesehen wird.
Mit der Übernahme von Funktionen der Großfamilie durch den Staat bzw. körperschaftliche Gruppierungen kam erstmals ein Aspekt in die Diskussion, der bis dato keine wesentliche Rolle spielte. Staatliche und vom Staat unterstützte Einrichtungen werden aus staatlichen Mitteln, sprich Steuergeldern, bestritten. Während ein einzelner Betroffener in einem Personenverband kaum auffällt, ist die Zusammenfassung vieler auf Hilfe Angewiesener an einem einzigen Ort unweigerlich Gegenstand der Aufmerksamkeit. So konnte es nicht ausbleiben, daß bald die Frage der Finanzierung und der Rentabilität eine Rolle zu spielen begann. Anders als in der Familie, die in gewisser Weise nur sich selbst Rechenschaft über ihren Haushalt ablegen muß, und in der noch andere Kriterien als jene der reinen Wirtschaftlichkeit gelten, hat sich der Staat für seine Aufwendungen gegenüber dem Bürger zu verantworten. Solange ein positiver ethischer Konsens über den Wert behinderten und sogenannten "unproduktiven" Lebens in der Gesellschaft gegeben ist, kann das Problem im Sinne der Fürsorge für die Betroffenen gemeistert werden. Dieser Konsens ist jedoch labil und läßt sich manipulieren, wie die furchtbaren Ereignisse während des Dritten Reiches zeigen. Ich gestehe, daß mir diese Zusammenhänge sehr große Sorgen bereiten. Sondereinrichtungen erneut als Auffangbecken, doch nicht zum Schutz sondern zur leichteren Erfassung der "Ballastexistenzen", das sind Gedanken, die vorbei und vergessen schienen, an die ich mich aber heute, gegen meinen eigenen Willen, immer wieder erinnert fühle. Das kammeralistische Prinzip der Haushaltsführung aller westlicher Staaten, zusammen mit dem System demokratischer Wahlen und der daraus resultierenden Gefahr einer Abwahl von Abgeordneten, verstärkt noch den Rechtfertigungsdruck der Führenden hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwendung von Steuergeldern. Was sich normalerweise als sinnvolle Kontrollfunktion des Volkes darstellt, erweist sich im Fall von behinderten Bürgern als eine lebensbedrohende Waffe. Wenn die Gemeinschaft nicht hinter ihren schwächsten Gliedern steht, ist der Schutz des Staates eine unsichere Komponente. So müssen wir resignierend feststellen, daß die neu aufflammende Lebenswertdiskussion, die zunehmend unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird, eine logische Konsequenz ist aus der Übertragung von Verantwortlichkeit auf den Staat. Die Befreiung behinderter Menschen aus lebenslanger, bevormundender Familienabhängigkeit wird erkauft mit einer Zur-Disposition-Stellung eben dieses Lebens. Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß ich die Dinge möglicherweise überspitze. Die Grundlagen, auf denen jedoch die menschenverachtenden Thesen eines Peter Singer gedeihen können, sind zweifellos auf das Engste mit einem Paradigmenwechsel im gesellschaftlichen Leben verbunden.

Das Computerzeitalter, die "Zweite Industrielle Revolution", hat all diese Tendenzen nun noch dramatisch verstärkt. Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich bin kein romantischer Maschinenstürmer. Ich weiß, daß das Rad der Entwicklung nicht zurückzudrehen ist. Ich selber sitze stunden- und tagelang an der Datenverarbeitung, lasse mich von den neuen Möglichkeiten faszinieren, nutze den Gewinn an Schnelligkeit und Wissenszuwachs, der mir ausschließlich durch die jüngsten Technologien gewährt wird. Behinderte Menschen haben insbesondere durch die Computertechnik Chancen für eine weitgehend selbständige Lebensführung erhalten, die vor wenigen Jahren in diesem Ausmaß noch unvorstellbar gewesen wären. Einsatzmöglichkeiten haben sich an Arbeitsplätzen eröffnet, die bislang Behinderten unabdingbar verschlossen schienen. Man wäre fast versucht, zynisch zu sagen: "Taube hören, Lahme gehen, gelobt sei der Fortschritt der Technik", wenn es sich nicht tatsächlich um real nachweisbare Fakten handelte. Durch das Cochlear-Implant können völlig ertaubte Menschen nicht nur Geräusche wieder wahrnehmen sondern auch über das Gehör mit anderen in Kommunikation treten. Während die elektronische Stimulation von Muskeln und Gliedmaßen Querschnittgelähmter bereits in die Praxis umgesetzt wird, befindet sich die Einpflanzung von Computerchips in das menschliche Gehirn zwecks Übertragung der entsprechenden Empfindungen an die abgestorbenen Glieder noch in der Entwicklungsphase. Desgleichen hört man schon von elektronischen Kameras, die das Augenlicht ersetzen sollen. Und die Möglichkeiten scheinen erst am Anfang.
Warum aber spielt der Computer eine so herausragende Rolle? Hat es nicht schon immer Fortschritte in Forschung und Wissenschaft gegeben? War der Mensch nicht schon immer in der Gefahr, die Grenze zwischen dem faktisch Machbaren und dem ethisch Vertretbaren zu verwischen? Gewiß, es hat nie eine einfache Zeit gegeben. Immer war der Einzelne aufgerufen, verantwortlich die Grenzen seines Tuns abzustecken. Aber diese Grenzen sind durch den Einsatz der Computertechnik potentiell um das hundertmal Hundertfache erweitert. Was früher zwanzig, dreißig, vierzig Wissenschaftler in jahrelanger Arbeit mühevoll zusammentrugen, wird heute durch einen einzigen Tastendruck in wenigen Minuten von einer Rechenanlage erledigt. Der Mensch gibt nur noch die Problemstellung vor, die Lösung wird ihm durch Maschinen abgenommen. Wie schnell dabei ein Resultat erzielt wird, hängt fast nur noch von der Kapazität des eingesetzten Chips ab. Die umwälzenden Erkenntnisse der Genforschung, die Eingriffe bis in die Keimbahn des menschlichen Lebens ermöglichen, konnten nur mittels des Computers realisiert werden. Wohin uns diese Entwicklung führt, liegt im Dunkeln. So atemberaubend die sich abzeichnenden Zukunftsperspektiven auch sind - und ich glaube, kaum einer von uns kann sich der Faszination dieser Entwicklung gänzlich entziehen - so sehr erschreckt mich die Aussage eines Theologen, die ich vor kurzem in einem Artikel lesen mußte: "Die Ethik hat sich eben nach den Fortschritten der Wissenschaft zu richten".
Aber die sichtbaren und greifbaren Ergebnisse der Computertechnologie sind quasi nur die Spitze des Eisberges. Die Umwälzungen gehen tiefer und umfassen unsere gesamte gesellschaftliche Struktur. Sie kennzeichnen das Miteinander der Menschen, sie stellen überlieferte Werte in Frage und etablieren neue, sie fordern in völlig neuer Weise zur Erkundung heraus: Was ist der Mensch? Wir erleben in unseren Tagen einen erschreckenden Hang zur Uniformität. Zwar gab es schon immer die Abwehr des Fremden, die Angst vor dem Aus-der-Norm-Fallenden, doch selten wurde die Aversion gegen das Andersartige in so globaler Weise zum Ausdruck gebracht, wie wir dies momentan beobachten. Es gibt ja nicht nur in Deutschland Ausschreitungen gegen Ausländer, Juden und behinderte Menschen. Der Fundamentalismus der islamischen Nationen wendet sich ebenso gegen multikulturelle Strukturen wie der Nationalismus der Staaten des ehemaligen Ostblocks, die Genozide in afrikanischen und asiatischen Ländern oder die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan. Solches Denken in eindimensionalen Kategorien wird nicht zuletzt unterstützt von der Methodik der Computertechnologie: "Was nicht Null ist, ist Eins; was nicht Eins ist, ist Null". Ich behaupte nicht, daß diese Denkweise auslösender Faktor ist, ich glaube aber sehr wohl, daß sich Verhaltensmuster vorherrschenden Schemata anpassen. Desgleichen meine ich, daß sich die Entwertung der Individualität, wie sie das Ende des 20. Jahrhunderts kennzeichnet, ohne die geschilderten Entwicklungen nicht hätte vollziehen können. Singers Unterscheidung zwischen "Mensch" und "Person", die Klassifizierung zwischen "lebenswert" und "lebensunwert", die Ausklammerung alles Negativen aus unserm Denken, wie Leid, Krankheit, Behinderung, sie gehen alle auf das gleiche Prinzip zurück: "Was nicht Eins ist, ist Null..." Doch wird eine Erkenntnis der Computersprache vergessen: Auch die Null ist nötig zur Definition der Eins.
 

Nun wird man mit Recht fragen: "Wo bleibt der zweite Teil Ihrer Ausführungen? Sie sprechen umfassend über negative Veränderungen in der Gesellschaft, ihre schwerwiegenden Auswirkungen auf behinderte Menschen; sie malen ein apokalyptisches Bild unserer westlichen Kultur und hinterlassen in uns das schale Gefühl des "Es hat ja alles doch keinen Sinn". Gibt es denn, nach Ihrer Analyse, überhaupt noch eine Hoffnung?" Ich denke wohl, denn ich will an einen positiven Weltenplan glauben. Ich hatte einmal einen Pädagogikprofessor, der in der Frage 'Vererbung oder Umwelteinfluß' uns stets ermahnte: "Ihr müßt immer an den Umwelteinfluß glauben, unabhängig davon, wie groß er tatsächlich ist. Auf die Vererbung können wir nicht einwirken, die Umweltbedingungen aber können wir verändern." So ähnlich geht es mir mit dem Thema Zukunft. Wenn wir nicht die feste Zuversicht einer Entwicklung zum Besseren hätten, bräuchten wir uns, insbesondere im Behindertenbereich, überhaupt nicht mehr abzumühen. Meine Überzeugung reicht aber noch weiter - und nun muß ich Sie bitten, nicht zu erschrecken. Ich glaube, daß eine Neubesinnung - ich sage bewußt nicht Rückbesinnung, denn man geht nicht einfach zurück - daß also eine Neubesinnung von Menschen wie uns, von Behinderten, von Außenseitern, von Querdenkern und Querlebenden ausgehen muß. Nur wir und andere Menschen außerhalb der Kernzone der Gesellschaft gehören gleichzeitig diesem System an und stehen ihm doch auch distanziert gegenüber. Wir sind Teil und doch nicht Teil, auffallend genug, um nicht übersehen zu werden, aber ebenso Spiegelbild für jeden Einzelnen, weil jeden unser Schicksal betreffen könnte. Die Hoffnungen, die ich formulieren will, sind Hoffnungen für uns behinderte Menschen, weil es Hoffnungen für die Gesellschaft sind, und wir einen Teil dieser Gesellschaft darstellen, doch es sind keine Hoffnungen, die sich ausschließlich auf uns beziehen. Deswegen wird für einige von Ihnen dieser Festvortrag zu allgemein, zu wenig behindertenspezifisch ausfallen. Aber ich darf einmal die bekannte Sentenz "Behindert sind wir alle", die so gerne von Menschen ohne Behinderung angeführt wird, umkehren: "Gesellschaftliche Probleme haben wir alle, selbst wenn wir behindert sind". Unsere Probleme sind Euere Probleme, auch wenn Ihr sie vielleicht heute als solche noch nicht erkennt.

Zunächst meine ich, daß der Zeitpunkt für eine Neubesinnung noch nicht eingetreten ist. Ich fürchte, daß momentan die Einsicht in die Notwendigkeit der Vielfalt menschlicher Erscheinungsformen, einschließlich jener von Alten, Kranken und Behinderten, die auch etwas mit der Akzeptanz multikultureller Strukturen zu tun hat, erst im Geheimen zu reifen beginnt. Gleiches gilt für die erforderliche Kritikfähigkeit gegenüber den sogenannten Fortschritten der Wissenschaft und Technik. Noch sind diese Prozesse der Bewußtseinsänderung überlagert von den zweifellos beeindruckenden Erfolgen des menschlichen Geistes, die sich nicht zuletzt in den Errungenschaften der "Zweiten Industriellen Revolution" niederschlagen. Aber hier und da beginnen sich bereits Zweifel zu regen. Ich begrüße zum Beispiel ausdrücklich die jüngste Enzyklika des Papstes über den Wert des Lebens, wenngleich ich nicht in allen Punkten mit ihr übereinstimme. Meinem Verständnis nach hat hier erstmals in derart deutlicher Weise die Amtskirche die Gefahren erkannt und benannt, die mit der Antastbarkeit des Lebens verbunden sind. Das Neue, in meinen Augen, ist, daß nicht mehr nur punktuell die Gefährdung behinderten Lebens, die Frage "Wie hältst du es mit der Selbstbestimmung deines Todes" oder das Problem abgetriebener Föten behandelt wird, sondern daß Papst Johannes Paul VI einen Zusammenhang herstellt, der die logische Interdependenz all dieser Einzelthemen aufdeckt. Doch dies sind, wie gesagt, erst Anfänge solch wünschenswerter Erkenntnis, die zu weiterer Hoffnung Berechtigung geben.
Gerade weil ich die Enzyklika als so wohltuend empfand, kann ich nicht umhin, an dieser Stelle, selbst als Nicht-Katholik, eine Anmerkung zur gegenwärtigen Auseinandersetzung um den Ausstieg kirchlicher Institutionen aus der staatlichen Schwangerschaftsberatung zu machen. Jeder, der meine sozialpolitischen Aktivitäten auch nur ein wenig kennt, weiß, daß man mir sicher keine Unterstützung irgendeiner Form der Abtreibung nachsagen kann. Gerade deshalb bedauere ich das Schreiben des Papstes an die Deutsche Bischofskonferenz mit der Weisung, keine Beratungsscheine mehr auszustellen. Die Absicht ist gut, aber sie bewirkt nicht nur das Gegenteil. sie bringt auch die Haltung der Kirche selbst ins Zwielicht. Wenn nämlich feststeht, daß ein Schritt genau das bewirkt, was man angeblich verhindern möchte, und man ihn dennoch unternimmt, so muß man sich fragen lassen, wie weit man es mit der Ernsthaftigkeit seines Anliegens tatsächlich meint. Ich wünschte mir, daß sich die Bischöfe all jener Passagen des Evangeliums erinnern würden, in denen sich unser Herr gegen die Pharisäer stellte, die nur nach dem Wort und nicht nach dem Geist handelten. Vielleicht braucht es einige gottesfürchtige Kirchenmänner, um die Kirche vor sich selbst in Schutz zu nehmen. 
Rechte und linke radikale Bewegungen haben seit jeher die Ansicht vertreten, es müsse gesellschaftspolitisch gesehen alles noch viel schlimmer kommen, damit es besser werden kann. Ich muß gestehen, daß im übertragenen Sinne und mit gänzlich unterschiedlicher Zielrichtung auch ich von dieser Überzeugung ausgehe. Ich glaube, daß wir als gesellschaftliche Gesamtheit die tödliche Gefahr, die uns bedroht, nämlich die Infragestellung menschlichen Daseins, erst erkennen, wenn uns bewußt wird, daß sie nicht ein auf irgendeine bestimmte Personengruppen isoliert zutreffendes Phänomen ist, sondern auf den Kern unserer Existenz schlechthin zielt. Nicht das Leben behinderter Menschen steht zur Disposition, oder die Daseinsberechtigung der Über-Sechzig-Jährigen. Vielmehr kann die Grenzziehung jederzeit verschoben werden, so daß es niemand mehr gibt, der sich sicher wähnen kann. Ich darf ein kleines Beispiel erwähnen. Lange Jahre habe ich versucht, in Vorträgen, Arbeitskreisen und Artikeln die fatalen Folgen einer ungezügelten Genomanalyse deutlich zu machen. Ich bemühte mich, die ethischen Komplikationen aufzuzeigen, die dadurch entstehen, daß man dem Menschen häufig ein Wissen an die Hand gibt, ohne ihm gleichzeitig eine hilfreiche Therapie anbieten zu können. Zur Illustration diente mir meist die Chorea Huntington, eine Behinderung die erst im Alter von dreißig oder vierzig Jahren auftritt und innerhalb einer gewissen Zeitspanne zum psychischen und seelischen Verfall der Betroffenen führt. Diese Erkrankung ist neuerdings durch Genomanalyse in der Erbanlage nachweisbar, aber es gibt keine Heilungsmöglichkeit. Soll also den Gefährdeten eine Wahrheit aufgedrängt werden, die sie kaum tragen können? Wird hier nicht ein Instrument entwickelt, daß den Menschen in seiner innersten Privatsphäre verletzt? Meine Zuhörer oder Leser schienen in der Regel meine Ausführungen interessiert zur Kenntnis zu nehmen, aber ich hatte den Eindruck, daß ihnen die Bedeutung des Geäußerten entging, daß sie viel eher die Ansicht vertraten, es sei doch gut, wenn die Betroffenen um ihre Situation wüßten, denn schließlich handele es sich ja um eine Behinderung und diese sollte, wenn möglich, vermieden werden. Vor kurzem nun fiel mir in einem nicht gerade anspruchsvollen Boulevardblatt folgende Schlagzeile auf: "Anlage zum Krebs diagnostizierbar. Wollen wir das?" Der Artikel nahm dann die Gedanken auf, die auch ich immer vorbrachte, die aber, wie bereits gesagt anscheinend nur auf wenig Verständnis stießen. Es ist die Betroffenheit, die zur Veränderung führen kann, und diese Betroffenheit wird sich, so nehme ich an, zwangsläufig in der Zukunft auch in breiteren Bevölkerungskreisen einstellen. 

"Behindertenprobleme" sind "Gesellschaftsprobleme". Wie bei einem Seismographen kündigen sich Entwicklungen in der Gesamtgesellschaft zuerst und gerade im Personenkreis der äußerlich von einer Behinderung Betroffenen an, ohne daß sie deshalb begrenzt auf diese Gruppe gesehen werden sollten. In dem Maße, in dem solche Einsicht der Problemabhängigkeit auch in der Öffentlichkeit Boden gewönne - und dies möchte ich mit meinen Referaten erreichen - würde sich logischerweise auch die gesellschaftliche Stellung der als "Behinderte" Bezeichneten verändern. Ihre Daseinsform würde als das erkannt werden, was sie ist: wichtiger Bestandteil menschlicher Zukunftsplanung. Ich weiß, daß einige das, was ich jetzt sagen werde, mir als Hybris auslegen werden. Dennoch sage ich es, denn erstens glaube ich nicht, das Privileg zu besitzen, zu denen zu gehören, die ich unter dem Begriff "Schwerbehinderte" fassen möchte. Dazu lebe ich zu lange unter sogenannten "Nichtbehinderten", habe ihr Denken und ihre Leistungsideologie nicht nur angenommen sondern auch verinnerlicht, und fühle mich gewissermaßen als Wanderer zwischen den Welten. Zweitens aber kann meine These ein Bild geraderücken, das durch jahrhundertelange Verzerrungen in eine Schieflage geraten ist. Der von einer schweren Behinderung Gezeichnete wird nämlich ausschließlich als defizitäres, nehmendes Wesen angesehen, dem offensichtlich keine positiven Eigenschaften inne sind. 
Ich sage folglich, der Schwerstbehinderte ist die "Elite" unserer Gesellschaft. Dabei verstehe ich unter "Elite" den ursprünglichen Sinn des Wortes, "der Herausgehobene", der "Auserwählte". Er ist es - und daran führt kein Weg vorbei - schon durch sein äußeres Erscheinungsbild, ob er dies nun will oder nicht. Er ist es aber auch im metaphorischen Sinne. Ich sehe Ihre betroffenen Gesichter, und ich frage mich, ob Sie, die Passage der Bergpredigt "Selig sind, die geistlich arm sind" (Matthäus 5, 3) wirklich schon einmal mit dem Ernst gelesen haben, die ihr eigentlich zukommt. Dort wird nämlich im Grunde genau dasselbe gesagt. Das ist keine Mitleidsbeschwichtigung, das ist keine Tröstung, das ist eine Erhöhung, die aus einem sich über Defizite definierenden Wesen eine richtungweisende Erscheinung macht. Wenn wir dies nicht nur hören sondern auch verarbeiten würden, hätte dies sehr weitreichende Auswirkungen auf unser gesamtes gesellschaftliches Selbstverständnis.
Die Arbeit mit behinderten Menschen wäre dann nicht mehr eine lästige Beschäftigung, die getan werden muß, weil wir eben in einem Sozialstaat leben, und wir nicht wie in den Ländern der Dritten Welt Menschen einfach sterben lassen können. Sagen Sie nicht, solche Ideen kämen einem nie in den Sinn, wenn man in der Behindertenfürsorge stehe. Vielleicht nicht in der krassen Ausformung des Tötungsgedankens, aber haben Sie wirklich noch nie die Frage nach dem Sinn des Lebens eines Schwerbehinderten gestellt? Haben Sie dann nicht zuweilen gedacht: "Es wäre vielleicht für alle leichter, wenn dieses Wesen überhaupt nicht geboren worden wäre". Sie brauchen keine Schuldgefühle zu haben, solche Überlegungen sind durchaus natürlich, und auch mich bewegen mitunter solche Fragen - sonst würde ich heute nicht vor Ihnen stehen. Aber es dürfte wohl auch unbestritten sein, daß derartige Gedanken gar nicht erst aufkämen, wenn wir die Seligpreisung ernst nähmen, oder, säkularisiert gesagt, wenn wir in den Menschen, von denen hier gesprochen wird, tatsächlich eine Art "Elite" sähen. Keinem wäre es im Mittelalter eingefallen, Eremiten oder Mönche meditativer Orden die Lebensberechtigung abzusprechen, nur weil sie nicht dem herkömmlichen Schema von Arbeit und Leistung entsprachen. Indem sie beteten, indem sie einfach da waren, erfüllten Sie für die Gesellschaft eine Aufgabe, die als solche anerkannt und geehrt wurde. Albrecht Goes hat in diesem Sinne ein bekanntes Gedicht mit den Worten beginnen lassen: "Nur den Betern kann es noch gelingen, das Schwert von unsern Häuptern..."
Ein neuer Stellenwert in der Gesellschaft, einfach durch das Dasein, durch die Tatsache der Existenz, nicht der intellektuellen oder arbeitsspezifischen Leistung, hätte aber auch enorme Auswirkungen für das Selbstverständnis der Betroffenen. Sie könnten sich dann befreien vom Makel des Minderwertigkeitsgefühls und möglicherweise eine Kreativität entfalten, die heute noch unvorstellbar scheint. Diese aber ließe sich erneut zum Wohle der Gesellschaft einbringen.
Ich bin am Ende meiner Ausführungen angelangt. Ich bin mir bewußt, daß viele von Ihnen jetzt wahrscheinlich sehr enttäuscht sind. Sie hatten sich so viel von diesem Festvortrag erwartet, Aussagen, wie Sie mit Ihren täglichen Problemen besser fertig werden können. Was sollen meine pseudophilosophischen Ergüsse, wenn sie keine Antwort geben auf Fragen wie: "Auf welche Weise können wir in diesen Zeiten knappen Geldes das System unserer Wohngruppen retten? Wie sollen wir mit den niedrigen Pflegesätzen zurecht kommen? Was machen wir mit Schwerstbehinderten, die in keiner Werkstätte für Behinderte mehr Platz finden?" Meine sehr verehrten Damen und Herren, Wir werden auf Dauer keine Antwort auf diese Fragen finden, wenn es uns nicht gelingt ein neues Bewußtsein im Sinne der zuvor gemachten Ausführungen anzubahnen. Sagen Sie nicht, dies sei ein zu hohes Ziel für uns; sagen Sie nicht, wir seien dafür zu schwach. Behinderte Menschen machen in der Bundesrepublik und auch in den anderen westlichen Staaten rund 10 Prozent der Bevölkerung aus. Mit den Angehörigen und Bezugspersonen kommen nochmals 20 bis 30 Prozent dazu. Wenn wir gemeinsam das Werk angehen würden, wenn wir uns unserer Stärke bewußt wären, nicht unbedingt intellektuell sondern als Träger von Werten, die die Menschheit braucht, will sie nicht untergehen, wenn wir nicht wie die Kaninchen vor der Schlange, genannt Normanpassung, erstarren würden und uns in Selbstzerfleischung verschlissen, dann könnten wir, Betroffene und Bezugspersonen zu dem werden, was potentiell in uns angelegt ist. Erlauben Sie mir mit zwei literarischen Texten zu enden. Der erste ist wohl bekannt und findet sich in der Bibel, der zweite stammt von einem altchinesischen Philosophen.
Matthäus 5, 13: "Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz fade geworden ist, womit soll es wieder gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als aus dem Hause geworfen und von den Leuten zertreten zu werden". 
Eine Fabel von Huangtse: "Nehmen wir als Beispiel die Erde. Sie ist unendlich groß und weit. Aber der Mensch braucht von all dem nur den Fleck, auf dem er zufällig steht. Nun stelle dir vor, es würde plötzlich alles Erdreich weggenommen, das er im Augenblick nicht braucht, so daß sich um ihn herum ein Abgrund auftut und er im Leeren steht und nichts unter den Füßen hat als zwei, drei Schollen Erde. Was nützte ihm dies winzige Stück? - Huitse sagte: Es nützte ihm gar nichts. - Huangtse schloß: Damit ist erwiesen, wie notwendig das ist, was keinen Nutzen hat."